Echtzeit-Objekterkennung mit KI für die automatisierte Montage und Demontage

Mit KI-gestützter Bildverarbeitung in Echtzeit neue Automatisierungspotenziale erschließen

Elektronik- und Maschinenkomponenten bestehen heute aus Dutzenden winziger Verbindungselemente. Solange Kameras und klassische Bildverarbeitung diese Schrauben, Nieten oder Clips nicht sicher finden – besonders wenn sie verdeckt, verschlissen oder verschmutzt sind – bleibt die (De-)Montage Handarbeit. Das kostet Zeit, bindet Fachkräfte und macht automatisierte Recycling-, Refurbishment- oder Qualitätsprozesse nahezu unmöglich.

Intelligente Sichtprüfung in Echtzeit

Unsere Computer-Vision-Technologie kombiniert hochauflösende optische Messtechnik mit lernfähigen Algorithmen und erkennt Verbindungselemente samt Lage- und Zustandsdaten in unter 50 Millisekunden. Diese Informationen fließen direkt in Roboter- oder CAx-Systeme ein, um manuelle Montage- und Demontageschritte zu automatisieren, Taktzeiten zu stabilisieren und Fachpersonal zu entlasten.

© Fraunhofer IFF, Anne Bornkessel
KI-gestützte Vision-Software erkennt Schrauben und Steckverbindungen im PC-Gehäuse in Echtzeit – die Basis für automatisierte Montage- und Demontageschritte.

Der weltweite Elektronikschrott wächst laut UN aktuell um rund 3 bis 4 Prozent pro Jahr.¹ Um wertvolle Rohstoffe wie Kupfer, Gold oder seltene Erden zurückzugewinnen, müssen Produkte jedoch zunächst sauber in ihre Einzelkomponenten zerlegt werden.

Verbindungselemente wie Schrauben oder Nieten sind im industriellen Kontext eine besondere Herausforderung für automatisierte Erkennungssysteme – vor allem dann, wenn Produkte am Ende ihres Lebenszyklus stehen oder aus unterschiedlichen Quellen stammen. Zwar existieren seit vielen Jahren optische Prüf- und Kamerasysteme, doch deren Einsatz stößt in der Praxis schnell an Grenzen.

Die Ursachen dafür sind vielfältig:
Zum einen sind Verbindungselemente oft nur wenige Millimeter groß und teilweise von anderen Bauteilen verdeckt oder verschattet. Zum anderen variiert ihr Erscheinungsbild stark, abhängig von Verschmutzung, Gebrauchsspuren, Korrosion oder Fertigungstoleranzen. Gerade bei Rückläufern, gebrauchten Komponenten oder Elektronikschrott ist das äußere Erscheinungsbild selten standardisiert.

Hinzu kommt, dass klassische Bildverarbeitungssysteme in der Regel auf fest definierte Bildmerkmale und gleichmäßige Lichtverhältnisse angewiesen sind. Schon kleine Abweichungen – etwa durch wechselnde Beleuchtung, spiegelnde Oberflächen oder unterschiedliche Kamerapositionen – führen zu Erkennungsfehlern oder Komplettausfällen. Die Folge: automatisierte Montageschritte oder robotergestützte Demontageprozesse sind nicht zuverlässig möglich.

Das macht viele Abläufe teuer, langsam und fehleranfällig, obwohl die grundlegenden Tätigkeiten, wie das Auffinden und Lösen einer Schraube, eigentlich standardisierbar wären.

¹ Global E-waste Monitor 2024, United Nations University.

Echtzeitfähige Objekterkennung für dynamische Umgebungen

Unsere Technologie kombiniert optische Messtechnik mit einem speziell trainierten Deep-Learning-Modell, das Verbindungselemente wie Schrauben oder Nieten auch unter schwierigen Bedingungen zuverlässig erkennt – zum Beispiel bei wechselnden Lichtverhältnissen, bewegten Werkstücken oder Teilverdeckungen durch andere Komponenten.

Die Bildverarbeitung erfolgt auf handelsüblicher Rechen-Hardware mit GPU-Beschleunigung. Eine Bildinferenz dauert typischerweise weniger als 50 Millisekunden. Die Detektion liefert nicht nur die Objektklasse, sondern auch präzise Lagekoordinaten und bestimmte Zustandsinformationen (z. B. Teilverdeckung). Die Daten werden in standardisierten Formaten ausgegeben und können direkt in CAD-, Roboter- oder Digital-Twin-Systeme übernommen werden.

Ein eigenes, voll annotiertes Bilddatenset – das IFF Fastener Dataset – dient als Grundlage für das KI-Training. Es umfasst mehrere tausend hochauflösende Aufnahmen gängiger Verbindungselemente in verschiedenen Beleuchtungssituationen. Neue Objektklassen lassen sich innerhalb weniger Wochen nachtrainieren und in das System integrieren ohne zusätzliche Hardwareanpassungen.

Technische Leistungsdaten auf einen Blick

  • Detektionsgenauigkeit: 99,35 % (mAP)
    Getestet auf realen Verbindungselementen unter variierenden Lichtverhältnissen und Objektzuständen.
  • Inferenzgeschwindigkeit: ≤ 50 ms pro Bild
    Echtzeitfähig – auch bei bewegten Werkstücken und wechselnden Kameraperspektiven.
  • Trainierte Objektklassen: aktuell 10, erweiterbar
    Unterstützung für gängige Schrauben- und Nietprofile; neue Klassen per Transfer Learning integrierbar.
  • Bildauflösung: bis zu 12 Megapixel
    Präzise Erkennung selbst kleinster Verbindungselemente (Ø < 3 mm).
  • Schnittstellen: JSON, OPC UA, MQTT, ROS 2
    Einfache Integration in Roboterzellen, Digital-Twin-Umgebungen oder bestehende MES-Systeme.

Automatisierte Demontage im industriellen Umfeld

Die entwickelte Objekterkennung lässt sich flexibel in verschiedene industrielle Anwendungsbereiche integrieren – überall dort, wo Verbindungselemente erkannt, bewertet und automatisiert bearbeitet werden sollen. Die folgenden Beispiele zeigen typische Szenarien in Produktion, Instandhaltung und Kreislaufwirtschaft:

Anwendungsfeld Einsatz der Objekterkennung Nutzen im Betrieb
Recycling und E-Waste Identifikation und gezieltes Lösen von Verbindungselementen Sortenreine Stoffströme, Vorbereitung für automatisiertes Material-Recycling
Refurbishment und Remanufacturing Zustandsbewertung vor der Wiederaufbereitung Vermeidung unnötiger Entsorgung, bessere Teileverwertung
Qualitätsprüfung in der Montage Inline-Erkennung von Montagefehlern oder beschädigten Verbindungselementen Weniger Nacharbeit, dokumentierte Qualität
Service- und Reparaturprozesse Sichtprüfung vor Demontage oder Ersatzteilentnahme Schnellere Befundung, geringere Servicekosten
Rückbau komplexer Industrieanlagen Visuelle Erfassung von Verbindungspunkten Effizientere Demontageplanung, sicherere Abläufe

 

Datenschutz und Datenverarbeitung

Wir setzen zum Einbinden von Videos den Anbieter YouTube ein. Wie die meisten Websites verwendet YouTube Cookies, um Informationen über die Besucher ihrer Internetseite zu sammeln. Wenn Sie das Video starten, könnte dies Datenverarbeitungsvorgänge auslösen. Darauf haben wir keinen Einfluss. Weitere Informationen über Datenschutz bei YouTube finden Sie in deren Datenschutzerklärung unter: https://policies.google.com/privacy

Im Projekt iDEAR am Fraunhofer IFF entwickeln wir eine innovative Technologie zur automatisierten Demontage von Elektroaltgeräten. Jedes Jahr fallen Millionen Tonnen Elektroschrott an, aber nur ein Bruchteil davon wird effizient recycelt. Durch den Einsatz fortschrittlicher Robotik, künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen optimieren wir den Recyclingprozess und gewinnen wertvolle Rohstoffe effizient zurück. Das Ziel des Projekts ist es, Elektroschrott nachhaltig und kostengünstig zu recyceln, die Ressourcennutzung zu optimieren und die Kreislaufwirtschaft zu fördern. Unsere Technologie ermöglicht es, Geräte präzise zu zerlegen und einzelne Komponenten für die Wiederverwertung zu extrahieren, was sowohl ökologische als auch wirtschaftliche Vorteile bietet. Erfahren Sie mehr über die Technologie und die Vision, die hinter diesem zukunftsweisenden Projekt stehen.

Roadmap und Erweiterbarkeit

Das System wurde bislang für zehn häufige Verbindungselemente wie Schrauben- und Nietprofile trainiert und im Technikum des Fraunhofer IFF erfolgreich getestet. Der Trainingsprozess basiert auf einem umfassenden, selbst erstellten Bilddatensatz, der typische Demontageszenarien unter verschiedenen Lichtverhältnissen und Perspektiven abbildet.

Neue Objektklassen können auf dieser Grundlage in kurzer Zeit integriert werden. Dafür wird das bestehende Modell mittels Transfer Learning gezielt weiterentwickelt – eine vollständige Neuerfassung oder Umstrukturierung ist nicht erforderlich. Auch die Erweiterung um andere Bauteile ist technisch bereits vorgesehen.

Ein weiterer Entwicklungsschritt ist die automatisierte Zustandsbewertung, etwa zur Erkennung von Korrosion, Materialverformung oder Beschädigung. Die Kombination aus Objekt- und Zustandsinformation schafft zusätzliche Anwendungsmöglichkeiten in der Reparaturvorbereitung, im Qualitätsmonitoring oder bei der Bauteilklassifizierung für Sortierprozesse. Erste interne Tests zu dieser Funktion laufen, eine Validierung unter realen Bedingungen ist für die kommenden Monate geplant.

Technologien und Entwicklungen in der Echtzeit-Objekterkennung

Eine Auswahl unserer Projekte und -Services, die wir vergleichbar auch gern für Sie umsetzen – maßgeschneidert für Ihren konkreten Anwendungsfall:

 

Technologie

Messtechnologie OptoInspect3D für die optische Qualitätsprüfung

Wir liefern Methoden, Werkzeuge und lizenzierbare Softwarebibliotheken für Ihre 3D-Messsysteme. Mit unserem Technologiepaket OptoInspect3D steht Ihnen ein modularer Werkzeugkasten für die Realisierung von anwendungsspezifischen 3D-Messsystemen zur Verfügung. OptoInspect3D beinhaltet Methoden und Werkzeuge, um hochpräzise optische Messsysteme zu entwerfen, auszulegen und zu simulieren.

 

Technologie

Modellbasierte Montageprüfung

Unser modellbasierter Ansatz bietet die Möglichkeit für optische Montagekontrollen und Vollständigkeitsprüfungen, die besonders flexibel, anpassungsfähig und robust sind.

 

Aktuelles Referenzprojekt

Intelligente Demontage von Elektronik für Remanufacturing und Recycling

Im Projekt iDeaR entwickeln wir Lösungen für die effiziente Demontage von Elektrogeräten und für die Wiederaufbereitung und Verwertung von Materialien. Wir wollen sicherstellen, dass keine Rohstoffe verschwendet und wertvolle Ressourcen länger im Umlauf gehalten werden.