Digitalisierung historischer Münzen

Forschung und Entwicklung in der Abteilung Fertigungsmesstechnik und digitale Assistenzsysteme

Identifizierung von Münzen anhand eines digitalen Fingerabdrucks

Für eine zeitgemäße Sicherung unseres kulturellen Erbes, für die überregionale Forschung und eine wirksame Öffentlichkeitsarbeit ist unerlässlich, historische Sammlungen systematisch zu erfassen und zu digitalisieren.

Die Objekte müssen für eine eindeutige Identifikation gekennzeichnet werden. Nur so können zum Beispiel der Fundort oder weitere Zusammenhänge sicher erfasst und zugeordnet werden. Bei Münzen ist eine solche Kennzeichnung nur schwer oder gar nicht möglich. Um diese, oftmals sehr kleinen Objekte trotzdem eindeutig zuzuordnen oder auch, um Verwechslungen auszuschließen, bedarf es einer technischen Möglichkeit diese Stücke zu individualisieren.

In Kooperation mit dem Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie – Landesmuseum für Vorgeschichte Sachsen-Anhalt – hat das Fraunhofer IFF ein innovatives Verfahren entwickelt, mit dem einzelne Münzen anhand eines individuellen »digitalen Fingerabdrucks« eindeutig und unverwechselbar beschrieben und identifiziert werden können.

Mit O.S.C.A.R. Münzen digital erfassen

Mit dem »Optical System for Coin Analysis and Recognition«, kurz O.S.C.A.R., können Gold-, Silber-, Bronze- und Kupfermünzen mit einem Durchmesser von fünf bis 75 Millimeter digital erfasst werden. Basierend auf etwa 1000 optischen Merkmalen, die einen Erkennungsschlüssel, quasi einen »digitalen Fingerabdruck« der Münze bilden, erfolgt eine eindeutige und unverwechselbare Beschreibung und damit sichere Identifikation jeder einzelnen Münze. Der Fingerabdruck basiert dabei auf den charakteristischen Prägemerkmalen und individuellen Beschädigungen, wie Kratzer, Dellen, Risse, Ausbrüche aber auch Korrosion, die dabei gleichzeitig dokumentiert werden. 

 

© Fraunhofer IFF
Münze des Münzherren Konrad Markgraf von Meißen, Prägedatum um 1150. Darstellung der Grundfarbe.
© Fraunhofer IFF
Darstellung der Oberfläche.
© Fraunhofer IFF
Kombininierte Darstellung der Grundfarbe und Oberfläche.

Die Digitalisierung erfolgt automatisiert innerhalb weniger Minuten. Nur das Einlegen und Wenden der Münze ist in der derzeitigen Ausbaustufe ein manueller Vorgang. Der errechnete Fingerabdruck wird gemeinsam mit einer Sammlungsnummer in einer Datenbank gespeichert. Anschließend ermöglichen die digitalen Daten zusammen mit einer interaktiv steuerbaren virtuellen Beleuchtung eine intuitive Exploration und Visualisierung der Münzen. Auf der freigestellten Münzoberfläche lassen sich so kleinste Details hervorheben und auch schwach ausgeprägte Schriften und Symbole entziffern. Zusätzlich ist der Export hoch aufgelöster Katalogbilder einfach möglich.

 

Software zur Aufbereitung der Münzdatensätze.
© Fraunhofer IFF
Das Komplettsystem erfasst nicht nur die optischen Merkmale der Münzen, sondern zudem feinste Gebrauchsspuren.

Verfahren

Das neue System basiert auf einem Verfahren der photometrischen Stereoanalyse. Eine fest installierte Kamera erfasst nacheinander Bilder des zu digitalisierenden Objektes, das aus verschiedenen Richtungen beleuchtet wird. Farbnormale und weitere geometrische Referenzen im Kamerabild sorgen für gleichbleibende Erfassungsbedingungen. In der Auswertung werden visuelle Effekte der Oberflächentopographie von der Materialfarbe getrennt. Aus den Messdaten zur Objektgeometrie und Oberflächenstruktur einer Münze wird ein individueller Erkennungsschlüssel generiert, der bei einer Suchabfrage mit der Datenbank abgeglichen wird.

So erhält der Anwender umgehend eine Rückmeldung zu vorhandenen Datensätzen dieser Münze und kann die zugehörige Katalognummer und den Erhaltungszustand validieren.

Neben der digitalen Erfassung und eindeutigen Identifikation bietet O.S.C.A.R. zusätzlich die Möglichkeit, die Daten interaktiv aufzubereiten. So können zum Beispiel die sogenannte 12 Uhr-Position, also die aufrechte Stellung der Prägung, festgelegt und weitere Informationen wie Gewicht und Sammlungskennung hinzugefügt werden.

Mit einer webfähigen, interaktiven Visualisierung der Ergebnisdaten können Wissenschaftler:innen jederzeit und überall an den Münzfunden forschen und sich austauschen, ohne das reale Objekt verleihen zu müssen.

 

Interaktive Beleuchtungsvariation für eine Münze

© Fraunhofer IFF
Durch Veränderung der Lichtrichtung und Zoom können einzelne Prägemerkmale gezielt hervorgehoben werden.
Linke Maustaste: Lichtquelle verschieben | Scrollrad: Ansicht zoomen | Rechte Maustaste: Münze verschieben.