Forschung und Entwicklung im Geschäftsfeld Robotersysteme

Biomechanische Belastungsgrenzen aus anderen Anwendungsbereichen (KAN-Studie)

In naher Zukunft werden sich Menschen und Roboter immer häufiger einen gemeinsamen Arbeitsraum teilen und Hand in Hand zusammenzuarbeiten. Der Schutz des Menschen vor Verletzungen wird dann nicht mehr durch trennende Schutzeinrichtungen sichergestellt, sondern durch neue Sicherheitssensoren oder sichere Manipulatoren. Berührt der Mensch einen Roboter, ist für die Risikobewertung zwischen einem gewollten Kontakt und einer Kollision zu unterscheiden. Generell muss die biomechanische Beanspruchung des Menschen für beide Kontaktfälle auf ein tolerables und ungefährliches Maß beschränkt werden. Aktuell wird hierzu die relevante Norm DIN EN ISO 10218 durch die ISO TS 15066 ergänzt, mit dem Ziel klare Vorgaben für die sichere Gestaltung und Einrichtung von Arbeitsplätzen mit Mensch-Roboter-Kollaboration zu spezifizieren.

Von den Unfallversicherungsträgern wird gefordert, dass die Klassifikation tolerabler Beanspruchungen sich deutlich von den aktuellen Schadensschwerekategorien S1 (reversible Verletzungen) und S2 (irreversible Verletzungen oder Tod) abgrenzen muss.

Bisher liegt aus der Sicht des Arbeitsschutzes keine eindeutige Definition hierzu vor. Im Zuge der KAN-Studie »Biomechanische Belastungsgrenzen« hat das Fraunhofer IFF den aktuellen Stand und weiteren Bedarf an biomechanischen Belastungsgrenzen für die mechanische Risikobeurteilung von Arbeitsplätzen mit Mensch-Roboter-Kollaboration recherchiert und erarbeitet.

© Fraunhofer IFF
Einordnung der neuen Schadensschwerekategorie.

Die Ergebnisse der Studie bilden eine solide Grundlage für zukünftige Arbeiten und dienen schon heute Arbeitsschutzexperten sowie Herstellern als wichtige Datenbasis bei konkreten Problemstellungen in der Risikobewertung. Während der Studie wurden im Rahmen einer umfangreichen Recherche über 1000 Titel zusammengetragen, die relevante Informationen zu biomechanischen Belastungsgrenzen im Kontext der Studie enthielten. Die Literaturrecherche wurde mit speziell zugeschnittenen Werkzeugen und Methoden durchgeführt, die während der Studie entwickelt wurden. Aus den 1000 recherchierten Titeln wurden zahlreiche Belastungsbeanspruchungsrelationen exzerpiert und in eine Datenbank übernommen, die den Export von informativen Datenfaktenblättern mit allen wichtigen Informationen ermöglicht. Die Datenbank wird kontinuierlich erweitert und soll zukünftig als öffentlich zugängliches Nachschlagewerk für kritische Beanspruchungen dienen.

Neben der Literaturrecherche wurden im Rahmen der Studie auch Vorschläge erarbeitet, wie sich die neue Schadensschwerekategorie S0 definieren lässt und wie biomechanische Belastungsgrößen oder Belastungsbeanspruchungsrelationen für den Arbeitsschutz strukturiert werden können. In Zusammenarbeit mit Arbeitsschutzexperten und Medizinern wurde folgender Definitionsvorschlag ausgearbeitet: »Zu der Verletzungsschwerekategorie S0 zählen ausschließlich oberflächliche Verletzungen, die ohne medizinische Behandlung folgenlos ausheilen. Eine Durchdringung der Oberhaut ist nicht zulässig und daher von dieser Kategorie ausgenommen.« Die Einordnung der Kategorie erfolgt über den absolut unbedenklichen Bereich H, dessen Übergang zu S0 mit dem Schmerzeintritt korrespondiert.